Tief bewegt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler der 9., 10. und 11. Jahrgangsstufe des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums Schwandorf, als der SPIEGEL-Beststellerautor Tim Pröse am 11. Mai 2023 die Schule besuchte, um die szenische Lesung „Eine Hommage an Sophie Scholl“ zu halten. Denn Pröse gelang es, mit Hilfe von weitgehend unbekannten Fotos, auf denen die Widerstandskämpferin als lebensbejahendes, fröhliches Mädchen zu sehen ist, und durch das Darlegen der mangelnden Zukunftsperspektiven von Jugendlichen in der NS-Diktatur den Heranwachsenden die damalige Lebensrealität eindrucksvoll zu vergegenwärtigen. Während die jungen Männer im Alter der Zuhörerinnen und Zuhörer auf ihren Einsatz im Krieg vorbereitet wurden, wurde von den jungen Frauen erwartet, möglichst früh möglichst viele Kinder zu bekommen.
Gegen diese massiven Einschränkungen der individuellen Freiheit, insbesondere aber gegen die menschenverachtende Ideologie und Politik der Nationalsozialisten lehnte sich Sophie Scholl entschieden auf und engagierte sich gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl aktiv in der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ – eine couragierte Haltung, die auch in ihrem Leitspruch zum Ausdruck kommt: „Man darf nicht nur dagegen sein, man muss etwas tun.“
In seinem szenischen Vortrag zeichnete Pröse die Entwicklung Sophie Scholls von einer unbeschwerten Jugendlichen, die das Leben genießt, hin zu einer kritisch denkenden jungen Studentin, die für ihre Überzeugungen einsteht und durch das Verbreiten regimekritischer Flugblätter Widerstand gegen die totalitäre Diktatur der Nationalsozialisten leistet, auf berührende Art und Weise nach. Dabei las er zum einen Passagen aus seinem 2016 erschienenen Werk „Jahrhundertzeugen. Die Botschaften der letzten Helden gegen Hitler. 18 Begegnungen“ vor, zum anderen berichtete er von den Erinnerungen ihrer Schwester, Inge Aicher-Scholl, die er lange Zeit begleitete.
Wie eindrücklich diese Erinnerungen an die Widerstandskämpferin sind, wird insbesondere an folgendem Auszug aus Pröses Buch deutlich: „Ich erinnere mich, wie die Mutter noch einmal Sophie und Hans’ Särge streichelte, so wie man behutsam schlafende Kinder streichelt, mit einer seltsamen Beharrlichkeit. Als wolle sie diesen Moment letzter Zärtlichkeit ins Ewige bannen.“ (Inge Aicher-Scholl in ihren „Erinnerungen an München“).
Durch die privaten Einblicke in Sophie Scholls Leben ermöglichte der Autor den Schülerinnen und Schülern einen emotionalen Zugang zu ihrem Schicksal und verdeutlichte ihnen ihren unfassbaren Mut. Zudem hob er die Beweggründe der jungen Frau dafür, Position gegen das NS-Regime zu beziehen, Haltung zu zeigen und Widerstand zu leisten, hervor: Sie kämpfte für die Freiheit und war bereit, dafür ihr Leben zu riskieren. Doch habe sie diese Freiheit keineswegs für sich gewählt, sondern für ihre Mitmenschen sowie für die nachfolgenden Generationen, wie Pröse betonte. Mit Blick auf Sophie Scholls Vermächtnis appellierte er deshalb am Ende der Lesung an die Jugendlichen: „Macht etwas aus eurer Freiheit – das ist das, was Sophie Scholl wollen würde und wofür sie gekämpft hat!“
Am 9. Mai 2023 wäre Sophie Scholl 102 Jahre alt geworden. Zweifellos ist sie aufgrund ihres bedingungslosen Eintretens für die Freiheit aller Menschen, ihres entschlossenen Handelns und ihrer Willensstärke auch heute noch ein leuchtendes Vorbild für den Kampf gegen Hass und Intoleranz. Diese Botschaft hat Tim Pröse den Heranwachsenden durch seinen bewegenden Vortrag über die außergewöhnliche Geschichte jener Heldin eindrucksvoll vermittelt – eine Erfahrung, die bei den Schülerinnen und Schülern noch lange nachwirken wird.
Vielen Dank an alle, die Tim Pröses Lesung am CFG möglich gemacht haben, insbesondere an Christin Präßler (Leiterin der Stadtbibliothek Schwandorf), an den Elternbeirat des CFG sowie an den Friedrich-Bödecker-Kreis Bayern e.V.
Evelina Maisuradze (Kl. 10a) und Susanne Liebl
(Fotos von S. Liebl)