„Wer von euch ist der Meinung, dass so etwas wie 1933 heute noch einmal passieren kann?“, fragten die Schauspieler Christine Elsa Wagner und Julian Kühndel vom ueTheater Regensburg die Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe nach der Aufführung des Theaterstücks „Elly und Ingo“, das sich gegen Rechtsextremismus richtet und sich für Toleranz und Menschenrechte einsetzt. Ein Großteil der Schüler war der Meinung, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass sich so schlimme Ereignisse wiederholen können.

„Elly und Ingo“ erzählt zum einen die Lebensgeschichte der Regensburger Lehrerin Elly Maldaque, die während der Weimarer Republik an der Von-der-Tann-Volksschule unterrichtete, sich nebenbei aber intensiv um Bedürftige kümmerte und sich in ihrer Freizeit hingebungsvoll um ihre Schüler sorgte. Weil sie politisch eher links orientiert war, geriet sie bald in Konflikt mit der politischen Polizei, was ihre fristlose Kündigung zur Folge hatte. Doch Elly wehrte sich heftig und brachte die Öffentlichkeit dazu, sich gegen die Kündigung zu stellen, weshalb ihr vom Verwaltungs- und Polizeisenat der Stadt Regensburg gemeingefährlicher Verfolgungswahn attestiert wurde. Daraufhin wurde sie in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo sie wenige Tage später im Jahr 1930 unter ungeklärten Umständen starb.

Parallel dazu wird die Geschichte des gewalttätigen Neonazis Ingo erzählt, der schon im Elternhaus und in der Schule nichts anderes als Gewalt erfährt, wodurch er zu der Erkenntnis gelangt, dass nur der Stärkere überleben kann und das Prinzip der Gewalt in der Welt vorherrschend ist. Nachdem er selber jahrelang unterdrückt worden war, genießt er es bald, Schwächere seine Macht spüren zu lassen. Obwohl er alles andere als dumm ist, erlangt er nur den Hauptschulabschluss. Nachdem er sich einer Gruppe von Skinheads angeschlossen hat, fühlt er sich zum ersten Mal akzeptiert, gerät aber immer weiter in eine Spirale aus Gewalt und begeht schlimmste Straftaten.

Was beide Figuren verbindet, sind ihre ähnlichen Ausgangssituationen: Sie sind Opfer der Gesellschaft, die ausgrenzt, statt Verständnis aufzubringen. Beide begehren gegen die Zustände auf. Doch während Elly versucht, Positives zu bewirken, lebt Ingo den jahrelang angestauten Hass aus, indem er selbst Gewalt ausübt.

Das Stück ist unterteilt in sechs Kapitel: Die Gewalt, Das Neue – das Alte, Die Liebe – der Hass, Der Mensch ist gut – der Mensch ist ein Raubtier, Der Verstand – der Glaube, Das Leben – der Tod.

Die beiden Schauspieler, die ihre Rollen mit beeindruckender Authentizität spielten, brauchten nur zwei Stühle auf der Bühne, wo sie abwechselnd ihre jeweiligen Lebensgeschichten erzählten. Dabei durchbrachen sie immer wieder ihr eigenes Spiel, traten aus ihren Rollen, reflektierten und kommentierten ihr Tun und wandten sich in regelmäßigen Abständen an ihr junges Publikum. Auf diese Weise gelang es ihnen, aktuelle Bezüge herzustellen. Ihr Anliegen besteht darin, Kritik zu üben an dem Teil unserer Gesellschaft, dem es egal zu sein scheint, wie es anderen Menschen geht und wie sich die politische und gesellschaftliche Lage in Deutschland weiter entwickeln wird.

Im Anschluss an die eineinhalbstündige Aufführung hatten die jungen Gymnasiasten die Gelegenheit, den Schauspielern Fragen zu stellen und so mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wagner und Kühndel versuchten, den Schülerinnen und Schülern zu verdeutlichen, dass nicht nur die Tatsache, dass die AfD an der politischen Macht beteiligt ist, sondern auch die Omnipräsenz rechter Kommentare in sozialen Netzwerken uns zu denken geben sollte. Als Beispiel nannten die beiden die sog. Reconquista Germania, ein perfekt organisiertes rechtes Netzwerk, das in Social Media bestimmte Ziele vorgibt, z.B. dass Mitglieder bestimmter Parteien gezielt attackiert werden sollen. Das Netzwerk verfügt über einen YouTube-Kanal mit 33.000 Abonnenten. Auch die Frage, ob die Meinungsfreiheit in Deutschland nach Ansicht der Schülerinnen und Schüler gefährdet sei, wurde zum Großteil bejaht. Als Abschluss richteten die beiden Akteure an ihr Publikum den Appell, stets Zivilcourage zu zeigen, in Situationen, in denen Andere in Schwierigkeiten sind, helfend einzugreifen, und die eigene Meinung klar zu vertreten.

Das Stück „Elly und Ingo“ wurde 2008/2009 im Rahmen des Bundesprogramms „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ gefördert.                                                                

                                                                                                                          OStRin Angelika Weigert

“Elly und Ingo” – gegen Rechtsextremismus und für Toleranz

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