Lehrfahrt der K 12 nach Weimar vom 12. bis zum 14. März 2010

Weimar – Stadt der Dichter und Denker, Kulturhauptstadt eines vergangenen Europas, Weltkulturerbe einer entrückten Vergangenheit.

Was sich in erster Linie anhört wie der Traum eines jeden begeisterten Deutschlehrers, stand wie üblich auch für die Kollegstufe des Jahrgangs 2009/11 auf dem Programm der zu absolvierenden Schulfahrten. Vom 12. bis zum 14. März 2010 sollten sich die Kollegiaten anschicken, jene kleinere deutsche Stadt zu erkunden, in der sich einst die Herren Goethe und Schiller (als Verfasser so mancher mehr oder weniger begeistert aufgenommener Schullektüre zwangsläufig bekannt) ihrem literarischen Schaffen widmeten.

So brach man dann am frühen Freitagmorgen unter der geistigen Führung von Frau Weigert, Frau Wördemann, Frau Grabinger und Herrn Schnabel von der heimatlichen Schwandorfer Schule gen Weimar auf. Mit den Namen der zwei großen Dichter im Gepäck konnte man die kommenden Tage in Angriff nehmen, was natürlich nicht ausschloss, dass sich jeder Schüler seine ganz eigenen Vorstellungen vom Ziel der Reise machte.

Noch vormittags erreichten die beiden Busse aus Schwandorf Weimar. Und bereits der erste Eindruck der Stadt passte überraschend klar in das Bild, das so manchem Schüler bereits vorgeschwebt war: Die Unterkunft, eine nur wenige Minuten zu Fuß vom Stadtzentrum entfernt liegende Jugendherberge, war ein alter, blassgelb gehaltener Bau mit niederem Kellergewölbe und einem dunklen, vom erdrückenden Gewicht der allgegenwärtigen Kultur sichtlich ausgetretenen Treppenhaus. Der Preis kultureller Größe liegt nun einmal im Alter.

Nach diesem kurzen Vorgeschmack brach man in die Innenstadt auf und überließ die Schüler bei der weniger anspruchsvollen Suche nach einem geeigneten Mittagessen ihrem eigenen Schicksal (im heutigen Weimar nicht wenigstens irgendeine Art von Café, Bäckerei, Lokal oder Restaurant zu finden, stellt vielleicht eine größere Schwierigkeit dar, als den „Faust“ neu zu erfinden). Anschließend begann der kulturelle Teil des gemütlichen Wochenendausflugs.

Eingeleitet wurde dieser von der Besichtigung des Weimarhauses, das (im Rahmen eines – mit mehr oder weniger visionären Spezialeffekten ausgestatteten – Gangs durch die Weimarer Historie) gleich zu Beginn alle Sinne der Teilnehmer anzusprechen suchte (was wiederum mit dem Beigeschmack einer feinen selbstironischen Note – ob beabsichtigt oder nicht – durchaus gelang).

Kollegstufe des Jahrgangs 2009/11 in Weimar
Kollegstufe GK/LK Deutsch in Weimar (Foto: OStRin A. Weigert privat)

Anschließend erfolgte eine Stadtführung, in deren Verlauf das den Schülern bekannte Kabinett großer Weimarer Persönlichkeiten um die Namen Bach, Liszt, Herder oder eben Herzog Carl August und dessen Mutter Anna Amalia erweitert wurde. Dabei schloss man Bekanntschaft mit Sehenswürdigkeiten wie dem berühmten Goethe- und Schiller-Denkmal, dem Weimarer Stadtschloss oder der Herderkirche.

Einziger konzentrationshemmender Faktor dieser Unternehmung war die kalte Witterung, so dass die Aussicht auf ein bisschen Wärme in der Jugendherberge und ein folgendes Abendessen mit Sehnsucht ihrer Erfüllung harrte. Auch die Gestaltung der organisatorisch unbelasteten abendlich-nächtlichen Freizeit spielte zu diesem Zeitpunkt wohl schon eine gewisse Rolle in den Erwägungen der Kollegiaten.

Am nächsten Morgen setzte sich die kulturelle Erkundungstour mit der Besichtigung des Schillerhauses fort. Einen bleibenden Eindruck hinterließen dabei möglicherweise dessen avantgardistisch gestaltete Tapetenkreationen in ansprechenden Grün- und Rosatönen, wobei der mit der Arbeit betraute Maler Schillers Wunsch nach einem „giftgrünen“ Arbeitszimmer leider etwas zu wörtlich nahm und einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Arsen der markanten Farbkomposition beimengte (selbstverständlich unwissentlich).

Stilistisch etwas zeitloser präsentierte sich am Nachmittag das Goethe-Wohnhaus, in welchem die stete Gegenwart antik griechischer Gipsfiguren für moderne Geschmäcker doch etwas irritierend wirkte. Die Tatsache, dass der in mehreren Gemälden und Statuen glorifizierte Goethe in Wirklichkeit ein dem Wein sehr zugetaner, kleiner, rundlicher Zeitgenosse war, verleiht der Gestalt des Universalgenies dann aber doch eine ausgesprochen menschliche Dimension.

Weitere Kulturangebote wie die Besichtigung der Fürstengruft im Historischen Friedhof blieben wohl als weniger aufschlussreich im Gedächtnis, der Ausfall des Besuchs des Parks an der Ilm blieb dem schlechten Wetter geschuldet.

Ein Höhepunkt des Weimaraufenthalts dann allerdings noch am Abend: das im berühmten Weimarer Nationaltheater aufgeführte Stück „Geschichten aus dem Wiener Wald“ von Ödön von Horvath beeindruckte seine Zuschauer (die sich dank der moralischen Unterstützung von Frau Wördemann vor allem aus Besuchern des Deutsch-Grundkurses zusammensetzten).

Und dann, ehe man sich (nach einer weiteren verkürzten Nachtruhe) versah, dämmerte mit dem Licht des neuen Morgens bereits der Abschied herauf.

Am Sonntagmorgen verließ die K12 ihre Unterkunft und brach auf zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald, wenige Minuten Fahrt von Weimar entfernt. Dort, durch hohe Nadelbäume gegen die Außenwelt abgeschirmt, zeigte sich die Schattenseite der Geschichte der goldenen Kulturstadt. Zwischen den noch erhaltenen Baracken der SS-Bewacher ist nur mehr eine Mondlandschaft geblieben von jenem menschlichen Grauen, das nunmehr einer ebenso präsenten deutschen Vergangenheit angehört wie Goethe und Schiller.

Nach dieser abschließenden Besichtigung traten die Schwandorfer Schüler schließlich endgültig die Heimreise an, um am Nachmittag desselben Tages wieder die vertrauten Umrisse der in sonntäglicher Ruhe wartenden Schule zu erblicken.

Welche Eindrücke bleiben, nun, nachdem die Fahrt nach Weimar bereits wieder mehrere Monate zurückliegt, das ist sicherlich von Beteiligtem zu Beteiligtem verschieden. Manch einer mag sich an eine schulische Pflichtveranstaltung uninteressanten Anlasses erinnern. Andere mögen zurückblicken auf eine Stadt, in der, mit so manchem modernen Kitsch angereichert, das Erbe einer großen Vergangenheit gepflegt wird. Und bei manchem bleibt vielleicht sogar die leise Bestätigung dessen zurück, dass eben jenes Vergangene – ob nun mit vergessendem Schweigen oder stolzer Verklärung bedacht – doch mehr ist als lediglich eine in die Ferne entschwindende, bedeutungslos gewordene Erinnerung. Nämlich ein sehr kleiner Teil dessen, was dazu geführt hat, dass wir wurden, was wir heute sind. Lebendige Erinnerung als Grundlage der erlebten Gegenwart.

Verfasser: Dominik Kohl

Weimarfahrt 2010
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