Sowohl aus staatlicher als auch aus kirchlicher Sicht kommen dem Religionsunterricht in einer Zeit “beschleunigter Individualisierung und Pluralisierung” (Lehrplan) mit der Folge des zunehmenden Verlusts tragender weltanschaulicher und sozialer Bindungskräfte wichtige Aufgaben zu. Im Folgenden sollen für das Selbstverständnis zentrale Dimensionen des gegenwärtigen und zukünftigen Unterrichts in Katholischer Religionslehre kurz umrissen werden:

(1) die spirituell-pastorale Dimension: durch Gebet und Meditation im Unterricht, die teils konfessionellen, aber auch ökumenischen Gottesdienste zum Schulanfang, am Schuljahresende und die immer wieder stattfindenden Messen bzw. ökumenischen Frühschichten am Freitag um “Sieben nach Sieben” versucht die Fachschaft dieser Aufgabe gerecht zu werden. Die Einbindung in ein gläubiges Elternhaus und vor allem die aktive Teilnahme an einer lebendigen Pfarrgemeinde kann der Unterricht nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Die “Tage der Orientierung” für die neunten Klassen im Kloster Ensdorf sollen den Prozess der Identitätsfindung erleichtern und helfen eine eigene spirituelle Ebene zu finden. Das dort angebotene Programm wird von den Schülern gerne angenommen.

(2) die kognitive Dimension: in einer Zeit zunehmender Orientierungslosigkeit nicht zuletzt in weltanschaulichen und ethischen Fragen – Papst Benedikt prangert in diesem Zusammenhang zu Recht den Relativismus in der heutigen Zeit an, man denke nur an den Umgang mit menschlichem Leben – bietet der Religionsunterricht durch die Vermittlung von Glaubenswissen eine bestimmte Grundorientierung. Er ist in erster Linie auf dieser kognitiven Ebene überprüfbar. Das vom Referat Katholische Religionslehre des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) entwickelte Grundwissensheft gibt Einblick, was in jeder Jahrgangsstufe des G8 gelernt werden und bei den Schülerinnen und Schülern “hängen bleiben” soll. Über einen Link können Sie die entsprechenden Seiten der Reli-Datei abrufen (www.isb.bayern.de).

Auch hier sind die Eltern zu Gesprächen mit ihren Kindern aufgefordert, weil Fragen, die das Leben aus dem Glauben betreffen, nicht tabuisiert werden sollten, was in einer Zeit der vielfachen Privatisierung des Religiösen leider häufig der Fall ist. Die Teilnahme zahlreicher Oberstufenschüler am Offenen Studientag der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg kann diese kognitive und diskursive Zielrichtung des Faches Katholische Religionslehre fördern. Die W-Seminare leisten dazu ebenfalls einen wesentlichen Beitrag.

(3) die sozialcaritative Dimension: diese kann im Unterricht, der in erster Linie eine theoretische Zielrichtung hat, nur sehr eingeschränkt umgesetzt werden. Durch die Information über kirchliche Hilfsprojekte u. a. für Straßenkinder (z. B. Amanecer) und das aktive Engagement der Schülerinnen und Schüler für derartige Projekte (z.B. den Verkauf von “Eine-Welt-Waren” am Tag der offenen Tür) werden die Schüler in altersstufengerechter Weise sensibel für das Zusammenwachsen der Menschheit in einer globalen Welt. In eine ähnliche Richtung weisen die Aktionen zugunsten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., für die die Fachschaft sogar eine Auszeichnung erhalten hat.
Das Angebot eines Sozialpraktikums für die 10. Klassen und eines P-Seminars für soziales Lernen im Rahmen der Qualifikationsstufe des G8 erweitert und vertieft diese Sinndimension des Religionsunterrichts. Die Schülerinnen und Schüler setzen diese durch verstärkte Eigenaktivität um.

(4) die kulturell-hermeneutische* Dimension (*Wie verstehen wir uns in einer noch bzw. nicht mehr christlich geprägten Lebenswelt?): durch Besuch einzelner kultureller Veranstaltungen, wie z.B. des Musicals “Jesus Christ Superstar”, vor allem aber die Durchführung von Exkursionen, z.B. in Krankenhäuser, Klöster, KZ-Gedenkstätten (in Zusammenarbeit mit Geschichte) usw., und weitere Aktivitäten kann den Schülern auch in ökumenischer Blickrichtung die Bedeutung des Christentums in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verdeutlicht werden. Außerschulische Lernorte tragen dazu wesentlich bei.
Diese Sachbereiche gehören zum Anliegen eines sich weltoffen verstehenden katholischen Religionsunterrichts, der in wichtigen Sach- und Orientierungsfragen jedoch auch entschieden Stellung bezieht. Dabei weiß er sich im Einklang mit unserem mittlerweile emeritierten Papst Benedikt XVI., der als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation schon vor Jahren treffend formuliert hat: “Die Kirche muss die Fragen der Menschen aufnehmen, und sie darf sich nicht primär mit sich selbst beschäftigen. Sie muss sich den Problemen unserer Zeit stellen, sie muss ihre Position zu den kulturellen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen beziehen, und sie muss dem Menschen Hoffnung mit auf den Weg geben”.

Die Dimensionen des Religionsunterrichts
error: Content is protected !!