Der am 31. Januar 2007 von der theologischen Fakultät an der Regensburger Uni veranstaltete Studientag zum Thema „Der eine glaubt dies, die andere glaubt das. – (Warum) lohnt es sich über religiöse Wahrheiten zu streiten?“ lockte rund 400 Interessierte, darunter einige Schüler unseres Gymnasiums an. Begleitet wurden wir von den Religionslehrern Herrn Glöckl und Frau Stangl. An der Universität machten wir uns zur Erkundung des Campus auf. Ein Großteil der Schüler nahm an der Eucharistiefeier mit dem neuen Studentenpfarrer teil. Nach dem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa fingen die Vorlesungen mit den Professoren Dr. Erwin Dirscherl, Dr. Karl Hausberger und Dr. Bernhard Laux an.

Nach einer kurzen Einführung begann der Dogmatiker E. Dirscherl mit seinem frei gehaltenen Vortrag zur Frage „Wie viel Pluralismus verträgt der christliche Glaube?“. Dirscherl machte zunächst darauf aufmerksam, dass bei den Menschen schon immer das Bedürfnis nach Eindeutigkeit und Klarheit herrschte, was die Auslegung der Bibel sowie das Verständnis des Wesens Gottes betrifft. Deutlich zutage tritt aber, dass eher das Gegenteil der Fall ist: Uneindeutigkeit und Ambivalenz prägen sowohl unser eigenes Leben als auch die christliche Botschaft, die, da die Zeit im Wandel ist, nach neuen Auslegungen und Deutungen verlangt. Denn wie auch das II. Vatikanische Konzil bereits erkannte, ist das „Zeugnis Jesu Christi“ nicht eindeutig und muss deshalb stets neu verstanden werden. Dies kann nur im Sprechen und im Dialog geschehen. An dieser Stelle nahm der Dozent auf Papst Benedikt XVI. Bezug, der mehrfach herausgestellt hat: So wie Gott auf uns zugeht, sollen wir auf den Anderen zugehen. Dialogisch zu handeln, das Gespräch zu suchen und sich dem Anderen zu öffnen bedeutet vernunftgemäß handeln, was wiederum die notwendige Beziehung von Glaube und Vernunft aufzeigt. Letzten Endes ist jeder Mensch zur Deutung und Suche nach der Wahrheit herausgefordert. Nach diesem interessanten Vortrag hatten die Zuhörer einige Minuten Zeit das Gehörte in sogenannten „Mauschelrunden“ untereinander zu diskutieren. Daraus resultierende Fragen konnten dann per Mikrofon dem Dozenten persönlich gestellt werden.

Der Vortrag des Professors für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte Karl Hausberger befasste sich mit dem Streit um religiöse Wahrheiten in der Reformationszeit. Das leidenschaftliche Ringen um die Wahrheit des Glaubens im 16. Jahrhundert verdeutlichte er am Beispiel der Abendmahlskontroversen, die nicht nur eine Kluft zwischen Martin Luther und Rom auftaten, sondern auch die bei weitem bedeutendste innerreformatorische Auseinandersetzung gewesen sind. Der Abendmahlstreit zwischen Luther und dem Züricher Reformator Zwingli stellte nämlich die Hauptursache dafür dar, dass es innerhalb der Reformation zu verschiedenen Kirchenbildungen kam.

Streitigkeiten um das rechte Verständnis des Abendmahls und um die realistische Auffassung der Eucharistie sind schon aus dem Mittelalter bekannt. Im weiteren Verlauf der Kontroverse wurde die Interpretation des Abendmahls zur Transsubstantiationslehre philosophisch verfeinert. Diese Lehre ist auf dem Laterankonzil von 1215 zum Dogma erhoben worden und besagt, dass das Wesen von Brot und Wein durch die Konsekration des Priesters in die Substanz von Leib und Blut Christi verwandelt wird.

Während somit alle Vertreter der hochscholastischen Theologie des Mittelalters darin übereinstimmten, dass Christus unter jeder der beiden Gestalten zwar nicht örtlich, aber in eigener Weise ganz gegenwärtig ist, erachtet Luther diese Lehre von der Wesenverwandlung als ein unbiblisches „menschliches Fündlein“. Luther hingegen ist von der Konsubstantiationslehre überzeugt, wonach das Brot Brot und der Wein Wein bleibt, aber gleichwohl in ihnen Christus mit seinem Fleisch und Blut gegenwärtig ist, wenn auch dem menschlichen Auge verborgen. Der Streit zwischen Luther und der römischen Kirche betrifft demnach nicht das „Dass“ der Gegenwart Christi, sondern das „Wie“ des Zustandekommens dieser Gegenwart.

Zwingli war demgegenüber von der symbolischen Auffassung überzeugt, da man das „ist“ der Einsetzungsworte auch im Sinne von „bedeutet“ interpretieren kann. Für ihn sind Brot und Wein lediglich Zeichen des für uns dahingegebenen Leibes und Blutes Christi. Laut Zwingli ist Christus im Abendmahl nur für den Glauben gegenwärtig, aber nicht leiblich, so wie es Luther behauptet. Luther geht von der Personaleinheit Christi aus, wonach seine göttliche und menschliche Natur nicht zu trennen sind. Während Zwingli die Meinung vertritt, dass Christus zur Rechten des Vaters im Himmel sitzt und deshalb nicht leiblich beim Abendmahl präsent sein kann, versucht Luther die Möglichkeit der Realpräsenz zu beweisen: Gerade weil Christus zur Rechten Gottes sitze, sei sein Leib ebenso an allen Orten gegenwärtig wie Gott selbst. Im Oktober 1529 fand in Marburg eine „Verhandlung“ zwischen Luther und Zwingli statt, in der sie sich in allen Punkten, außer der Kernfrage nach der Seinsweise Christi im Abendmahl, einig waren. Nach Luthers Tod 1546 kam es noch zu weiteren Auseinandersetzungen, jedoch wird uns das richtige Verständnis des Abendmahls immer ein Rätsel bleiben. Insofern weiß es ein Vorsteher der Eucharistiefeier unserer Tage durchaus zu schätzen, wenn er der versammelten Gemeinde zurufen darf: „Mysterium fidei – Geheimnis des Glaubens“. Mit diesen Worten beendete der Kirchenhistoriker K. Hausberger seine informative Rede, auf die großer Beifall folgte, weil er den Zuhörern komplexe Zusammenhänge nahe zu bringen verstand.

Nach einer größeren Pause, in der auch Schüler des C-F-G die Gelegenheit hatten, in kurzen Interviews ihre Meinung zur gesamten Veranstaltung kundzutun, ergriff Bernhard Laux, Professor für Theologische Anthropologie und Wertorientierung, das Wort. Er behandelte in seinem Vortrag die verschiedensten Überzeugungen und Konzeptionen des Glaubens, die sich als Folge der modernen pluralistischen Gesellschaft ergeben. Nach einem kurzen Einblick in die heutige Situation der Religion – die insbesondere in Europa nicht mehr als Leitfaden in allen Gesellschaftsbereichen und in der persönlichen Lebensführung angesehen wird, wie es früher der Fall war – ging er zunächst auf die Grundideen im Hinblick auf die Wahrheitsfrage der Moderne nach Charles Taylor ein:

1. auf den Naturalismus, der die Fixierung der Menschen allein auf die objektive Welt, auf Forschung und Naturwissenschaften beinhaltet;
2. auf den Authentizitismus, die Konzentration auf die subjektive Welt, die die Wahrnehmung des Menschseins durch jeden Einzelnen auf je eigene originelle Weise mit sich bringt.

Dennoch sollte laut Taylor sowohl die Verbesserung der Lage der Menschheit im Naturalismus als auch das Einbeziehen der Umwelt bei der eigenen Selbstverwirklichung nicht vergessen werden. Aus diesen zwei Modellen ergeben sich jedoch auch Konsequenzen für die Wahrheitsfrage: Durch die „Subjektivierung“ der Wahrheit, d.h. dadurch, dass jeder Einzelne seinen Glauben für richtig erachtet und als „wahr“ ansieht, entstehen viele einzelne Auslegungen. Papst Benedikt XVI. beklagt in diesem Zusammenhang eine zunehmende „Diktatur des Relativismus“. Eine Gemeinschaft des Glaubens und gemeinsame Traditionen und Werte stehen dadurch radikal in Frage. Die Suche nach der Wahrheit, die sich im Naturalismus nur auf „Fakten“ beschränkt, wird irgendwann im „Bereich des Irrationalen oder zumindest des nicht Wahrheitsfähigen“ enden. Laut B. Laux kann man prinzipiell sagen, dass es auf den Pluralismus in der modernen Gesellschaft nur drei widersprüchliche Arten der Reaktion gibt: Subjektivismus, Fundamentalismus oder Toleranz. Da der Subjektivismus die Existenz anderer Überzeugungen akzeptiert, dabei aber gemeinsame Traditionen und Werte aufgibt und der Fundamentalismus als Ziel die Verbreitung nur einer einzigen Religion hat, kann jedoch nur die Toleranz, der „notwendige mittlere Weg“, die Lösung sein. Nur indem man „Andersdenkende, Andersgläubige und Andershandelnde“ toleriert, ist auch ein Gespräch bzw. eine Diskussion über die Wahrheitsfrage möglich.

Obwohl nach jedem Statement der drei Professoren auch von Schülern des C-F-G die Gelegenheit zur Aussprache intensiv genutzt wurde, standen die Experten in einer sich anschließenden Podiumsdiskussion bei weiteren Fragen nochmals Rede und Antwort. Nach einigen abschließenden Worten des Religionspädagogen und Leiters der Veranstaltung Professor Burkard Porzelt machten wir uns auf den Nachhauseweg von dem gemeinsam vom Schulreferat der Diözese Regensburg und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Regensburg organisierten Offenen Studientag. Besonders bedanken möchten wir uns bei den Begleitpersonen, Frau Stangl und Herrn Glöckl, die es uns ermöglichten, einen ersten Eindruck vom „Unileben“ und vom theologischen Studium zu gewinnen.

 

Stephanie Karl, Rebecca Federer & Katrin Krämer, K12

 

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