Nicht einer, sondern gleich 6 Hauptmänner malträtierten den armen Soldaten Woyzeck in der ersten Szene unserer Inszenierung. Spiegelt das den großen sozialen Druck, dem Woyzeck als Mitglied der soldatischen Unterschicht in der elenden Zeit des Pauperismus (ca. 1815 – 1848) ausgesetzt ist? Oder symbolisiert es den zunehmenden mentalen Verfall Woyzecks aufgrund des Erbsen-Experiments des Doktors?

Denn Woyzeck hat sich verpflichtet, gegen einen Zusatzverdienst 3 Monate lang nur Erbsen zu essen, damit der Doktor und Wissenschaftler herausfinden kann, ob man mit billigen Hülsenfrüchten Soldaten günstig ernähren kann. Woyzeck braucht das Geld dringend, um seine Freundin und sein uneheliches Kind zu versorgen. Die Geschichte geht schlecht aus: Die zwangsläufig von Woyzeck vernachlässigte Marie lässt sich auf eine Affäre ein, Woyzeck bricht zusammen und ermordet mit seiner Freundin den einzigen Halt, den er in seiner Welt noch hatte. Büchner verbindet diesen Plot mit einer für seine Zeit absolut modernen naturalistischen Sprache, die er auch philosophisch auflädt: Sein Drama kann auch als Ausdruck eines nihilistischen Weltbilds verstanden werden.
Die Inszenierung arbeitete in Szenengestaltung, Bühnenbild, Kostümen und Maske beides heraus: den sozialen und psychischen Druck auf Woyzeck, aber auch die dunkle, hoffnungslose Welt, die er empfindet. In den Hauptrollen stellte Jasmin Steier als Woyzeck anrührend und überzeugend dessen zunehmenden Verfall und seine philosophischen Monologe dar. Evelina Foihel fühlte sich sehr schön in die Rolle der Marie ein und Lucas Mauerer setzte mit dem Doktor perfekt und krachend die Karikatur eines skrupellosen Wissenschaftlers um. Ludwig Bischoff als unangenehmer Tambourmajor und Pauline Plank, Emma Fleischmann und Angelina Wagner (alle drei in verschiedenen Rollen) ergänzten das beeindruckende Ensemble. Nach langen Monaten des Theater-Trainings ließen alle zusammen vor allem die gemeinsamen Gruppen-Szenen (Beim Hauptmann, Beim Doktor) zu Höhepunkten des Abends werden.
Besonderer Dank gilt unseren Technikern (Fabian Wolf, Michael Obendorfer) für die kompetente Umsetzung des anspruchsvollen Licht- und Musikkonzepts der Inszenierung. Lucas war als Verantwortlicher für die Kostüme, die Maske und fast die gesamte Organisation unentbehrlich und in seinem Element. Als Regisseur bin ich allen Spielenden für ihren Mut sehr dankbar, sich auf die ungewöhnliche und fordernde Arbeit mit „unserem“ Woyzeck einzulassen.
Johannes Werner


