OStR Glöckl führte im Schuljahr 2005/06 mit der Klasse 7c ein Projekt durch, das auf einem Vergleich des Romans Die Wolke von Gudrun Pausewang mit der aktuellen Verfilmung basierte, welche die Schüler bei einem gemeinsamen Kinobesuch kennen lernten.

Im Folgenden berichtet Herr Glöckl, der das Projekt als Deutschlehrer der 7c leitete, von seinen Erfahrungen.

“Als mich Anfang des Jahres 2006 dankenswerterweise ein Fachkollege auf die bevorstehende Kinopremiere des Filmes “Die Wolke” aufmerksam machte, bestärkte mich dies zusätzlich in meinem Anliegen mit Schülern der 7c die gleichnamige Lektüre der bekannten Autorin Gudrun Pausewang zu lesen.

Im Sinne eines fächerübergreifenden und integrativen Deutschunterrichts konnten hierbei Literaturbehandlung und Medienkompetenz in Entsprechung zum Lehrplan sinnvoll miteinander verknüpft werden. Auch die in der G8 spürbar aufgewertete Thematisierung von Sachtexten ließ sich damit verbinden, zumal angesichts des zwanzigsten Jahrestages des Reaktorunfalls von Tschernobyl vor allem in dessen Vorfeld in Tages- und Wochenzeitungen zahlreiche neue Berichte, Reportagen, Dossiers und Kommentare über Abläufe und Störfälle in Kernkraftwerken erschienen. Neben diesem durchaus weltgeschichtlichen Anknüpfungspunkt bot der ebenfalls circa zwanzigjährige Jahrestag der Auseinandersetzung um die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf sogar einen regionalen Bezugspunkt, auf den in Pausewangs 1987 erstmals erschienen Roman im Vorspann sogar hingewiesen wurde.

Einen Zugang zum Roman “Die Wolke” können die Schülerinnen und Schüler zunächst über die im fiktionalen Text genannten geografischen Verhältnisse gewinnen, die im Werk Pausewangs im Vergleich zum Film noch stärker an die vorhandene historische Realität angebunden werden. In diesem Zusammenhang wird gleichfalls auf die grundsätzliche Bedeutung der Kerntechnik für die Energieversorgung in Deutschland eingegangen. Über die möglichen körperlichen Auswirkungen der Strahlen ergeben sich entscheidende Bezüge zum Fach Biologie. Die im Jugendroman mehrfach angesprochenen Themen Katastrophenschutz und gruppendynamische Prozesse bei Gegnern und betroffenen Opfern atomarer Unfälle machen die politische und ansonsten im Fach Sozialkunde behandelten Dimensionen der Problematik deutlich. Die Entwicklung und der Einsatz der Nukleartechnologie kann aus geschichtlicher Sicht mit Ausblick auf die Gegenwart unter die Lupe genommen werden. Anhand des Konflikts um die iranischen Pläne zur Urananreicherung und zum Bau einer Atomwaffe lässt sich dieses Schlüsselproblem aktualisieren. Auch wenn die Schüler nicht mit Details überfordert werden sollen, können zumindest wichtige Vorgänge, wie z. B. der Kernbrennstoff-Kreislauf in einer nukleartechnischen Anlage aus physikalischer Perspektive auf einfacherem Niveau behandelt werden. Ähnliches gilt für Informationen zu natürlicher und künstlicher Strahlenbelastung.

Gerade in der Verfilmung der literarischen Vorlage spielen existentielle Themen wie Freundschaft und Liebe, Erwachsenwerden und individuelle Verantwortung usw. eine wesentlich größere Rolle als im Buch (vgl. hierzu auch das aufschlussreiche Materialheft für den Unterricht zu Gregor Schnitzlers Film). Sie geben Impulse für philosophische und religiöse Fragen, die auch in einer interessierten und aufgeschlossenen 7. Klasse ansatzweise angesprochen werden können. Sogar die Gottesfrage gerät dabei angesichts der massiven Leiderfahrung in den Gesichtskreis des Lesers bzw. Zuschauers – im Roman allerdings noch wesentlich aussagekräftiger als im Film. Aus dem Blickwinkel des Faches Deutsch steht der Vergleich von Buch und Film im Zentrum. Außer den vielen Entsprechungen aufgrund der Anlehnung der Filmemacher an die literarische Vorlage erwecken vor allem die Unterschiede zwischen den beiden Genres das besondere Interesse der Schüler.

So wird beispielsweise die Gestalt von Elmar – eher eine Nebenfigur im Roman – im Film zu einer der beiden Hauptfiguren aufgewertet. Durch die Konzentration auf das Schicksal der durch den Atomunfall verstrahlten Jugendlichen Hannah und Elmar (vgl. das Bild aus der SZ vom 27.02. 2006) geht der Film den Schülern emotional sehr nahe. Sie können sich gerade als junge Zuschauer mit diesen Protagonisten, die auch Schüler sind, viel eher identifizieren. Zudem entspricht diese Dramaturgie mit einem Liebespaar im Mittelpunkt der Handlung der aus Hollywood bekannten Film�sthetik. Bei der Nachbesprechung der Verfilmung erkannten die Siebtkl�ssler jedoch auch, dass durch diese Konstellation die seelische Motivierung des Handelns der Hauptfigur Janna-Berta im Buch bzw. Hannah im Film an Tiefgang verliert. Das Katastrophen-Szenario bei Ausbruch des Unfalls im Kernkraftwerk hingegen kann mit filmtechnischen Mitteln sowohl visuell als auch akustisch wirkungsvoller in Szene gesetzt werden als im Buch. Insbesondere das Bedrohliche und das Ohnmachtgefühl des Einzelnen angesichts der ablaufenden Vorgänge wird dadurch eindringlicher verdeutlicht. Die Schüler kamen freilich auch zu der Einsicht, dass durch die aus filmästhetischen Gründen notwendige Verringerung der Hauptpersonen die politische und geschichtliche Dimension des Themas etwas verkürzt wird. Ein Spielfilm, der bei einem möglichst breiten zeitgenössischen Publikum Erfolg haben will, kommt allerdings um diese Enthistorisierung um der Aktualisierung willen nicht herum.

In jedem Fall hat die fächerübergreifende Vorgehensweise bei der Auseinandersetzung mit dem Roman “Die Wolke” und nicht zuletzt die Vertiefung der Literaturbehandlung durch den aktuellen Spielfilm einschließlich seiner intensiven Nachbesprechung im Unterricht die Schülerinnen und Schüler für die Brisanz des zusehends in Vergessenheit geratenen Themas neu sensibilisiert. Diese waren bereits in der 7. Klasse zu einer kritischen Analyse und fundierten Beurteilung der Literaturverfilmung in der Lage. Eine vertiefte Einordnung in den gesellschaftlichen Kontext muss freilich der Mittelstufe vorbehalten bleiben.”

R. Glöckl

“Die Wolke” als Literaturverfilmung – eine geglückte Verbindung von Jugendbuch und Filmbesprechung zu einem vielschichtigen Thema auf der 7. Jahrgangsstufe
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