Dieses Lied prägte unseren gesamten Austausch. Wenn wir jetzt im Nachhinein darüber nachdenken vielleicht sogar mehr, als wir es damals, wie wir es auf der Busfahrt zum Strand zum ersten Mal hörten, jemals gedacht hätten. Denn genau dieses Gefühl, das Wolfgang Petry in seinem Lied beschreibt, überfiel uns nach dem tränenreichen, von zahlreichen Busblockaden, Hupkonzerten und fragwürdigen Ausflügen ins französische Liedgut geprägten Abschied, zu dessen Ende sogar der Himmel mit uns zu weinen begann. Für die meisten von uns stand fest, ohne sie, unsere liebgewonnenen Austauschschüler, können wir nicht mehr leben.

Wenn wir nun, nach zwei verrückten Wochen in Frankreich und Deutschland, die Zeit nochmals Revue passieren lassen, können wir nur sagen: Merci pour ce temps génial! Jeder von uns kann sich noch an den Moment erinnern, als eines Dienstags die Durchsage gemacht wurde, dass sich alle Schüler, die am Austausch mit Libourne teilnehmen, in der sechsten Stunde treffen würden, um die Steckbriefe der Austauschschüler zu bekommen, und an den Moment, als man endlich dieses Blatt Papier in Händen halten konnte. Auch wenn einige nicht ihren Traumfranzosen bekommen hatten, war die Freude doch riesig und schon bald begann man Einkaufslisten zu schreiben und Pläne zu schmieden, was man mit seinen Austauschschülern in Deutschland unternehmen könnte.

So verflog die Zeit und am Samstag, den 28. März 2009 war es dann so weit. Abends gegen 19 Uhr fanden sich die ersten bereits am Büchereiparkplatz gegenüber unserer Schule ein, um im Bus die besten Plätze zu ergattern. Während die Eltern noch letzte mehr oder weniger nützliche Ratschläge erteilten und einige Tränen auf mütterlicher Seite flossen, war die Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer in Frankreich bei uns Schülern riesig und so dauerte es nicht lange bis sich alle im Bus eingefunden hatten und die Reise beginnen konnte.

alle Schüler
alle Schüler

 

Als wir uns dann am Sonntag nach einer furchtbar langen und harten Nacht und bereits einigen Verlusten (ein am Boden schlafender Schüler wurde von einem herunterfallenden Bein einer Mitreisenden aus Versehen blutig geschlagen und unseren Busfahrer haben wir auch gewechselt, aus Egon wurde Ingo) und einer ca. 16-stündigen Fahrt Libourne näherten, war die Anspannung bereits ins Unermessliche gestiegen. Überall im Bus wurde geschminkt, vor dem Unbekannten gezittert, und in einem letzten kläglichen Versuch “Ich sehe was, was du nicht siehst” (“Je vois quelque chose que tu ne vois pas”) gespielt, um die Nervosität ein bisschen in Schach zu halten.

Dann war er endlich da, der große Moment. Wir erreichten das Lycée Max Linder in Libourne und konnten schon von weitem eine Horde Franzosen stehen sehen, die uns genau so gespannt erwarteten, wie wir sie. Doch nun war die Atmosphäre im Bus kaum mehr zu ertragen. Unsere Gedanken überschlugen sich: “Was, wenn ich nicht mit der Familie klar komme? Was, wenn sie mich nicht mochten? Wenn sie mich überhaupt abholen würden!” Letzten Endes wurden aber alle früher oder später von ihrer Gastfamilie abgeholt und nach der mehr als peinlichen Kennenlernprozession, die einer Mischung aus “Herzblatt” und Hundeschau gleich kam, wurden wir in die Gastfamilien entlassen, um den ersten Nachmittag im trauten Familienkreis zu verbringen.

Dank interessanter Expeditionen in die französische Küche (von Schnecken über Stierhoden bis Kerenkenkeng, eine Art kleiner Franko-Feigling) hatten wir am Montag Morgen auch gleich viel zu erzählen, als wir zunächst Libourne allein erkunden durften und die meisten sofort ein Café aufsuchten, um dort einen Café au Lait und ein Croissant zu verspeisen. Nach einer herzlichen Begrüßung im Rathaus stand nachmittags eine Fahrt in den Weinort Saint Emilion auf dem Plan, wo wir uns zunächst mit einer Fremdenführerin einen Überblick über die wunderschöne Kleinstadt und ihrer unterirdischen Kathedrale verschafften, um nach der Führung die ersten Souvenirs für Verwandte und Freunde zu kaufen.

In den nächsten Tagen wurde uns mit Hilfe von vielen Ausflügen ein interessanter Einblick in die Kultur und Landschaft Frankreichs gewährt. Am Dienstag machten wir uns auf den Weg nach Sarlat. Auch hier durften wir uns selbst umschauen und natürlich wurde auch hier nach nicht all zu teuren Souvenirs oder Kleidungsstücken Ausschau gehalten. Auf dem Rückweg machten wir dann Halt in einem wunderschönen Dorf namens La Roque-Gageac. Dieses romatische kleine Dorf wurde direkt in einen Berg hineingebaut und die meisten von uns nutzten die freie Zeit um die verwinkelten Gassen zu erkunden. Was das Wetter betrifft, hatten wir das Glück auf unserer Seite: Während zu Hause in Deutschland noch Regenwolken die Sonne verdeckten, konnten wir bereits in T-Shirts und teilweise sogar in kurzen Hosen unsere Tage fernab der Heimat genießen.

Plantane
Plantane
LaRoque-Gageac
LaRoque-Gageac

 

Am Mittwoch wurden wir vormittags vom Schulleiter des Lycée begrüßt und man zeigte uns stolz eine Ausstellung über den Schüleraustausch unseres Gymnasiums mit dem Lycée Max Linder. Die Zeitungsberichte und Fotos beeindruckten uns teilweise sehr, v.a. da man auf manchen Fotos unsere Lehrer wiedererkennen konnte. Sogar unser Busfahrer Ingo hatte damals schon am Libourne-Austausch teilgenommen und war auf einem Foto zu sehen. Nachmittags hatten wir die Gelegenheit einen kleinen Einblick in das französische Schulsystem zu bekommen, was sich als äußerst kompliziert herausstellte. Man konnte einige Unterschiede zum deutschen Schulsystem erkennen. Zum Beispiel haben französische Schüler jeden Tag meistens bis um 5 Uhr nachmittags Unterricht und außerdem ist das Schüler-Lehrer-Verhältnis ganz anders als bei uns. Nach Schulschluss fuhren wir dann, wie jeden Tag, wieder mit unseren Austauschpartnern nach Hause und verbrachten den Abend in der Familie.

Am nächsten Tag war ein Ausflug in die Médoc-Gegend geplant. Dort besichtigten wir ein Weingut, das Chateau Lynchbages, um dann festzustellen, dass der Wein für die meisten von uns nicht erschwinglich war, nicht einmal die billigen Flaschen. Als wir uns dann nach einer kurzen Mittagspause wieder am Bus trafen, wurde uns von unseren Lehrern mitgeteilt, dass wir nun zu einem anderen Chateau fahren würden, um auch dies zu besichtigen. Diese Idee fand keinen besonderen Anklang, die Begeisterung hielt sich eher in Grenzen. Doch dagegen unternehmen konnten wir eh nichts und so gaben wir klein bei. Einige versuchten zu schlafen, andere hörten Musik und der Rest versuchte sich die Zeit anderweitig zu vertreiben. Doch plötzlich war der gesamte Bus hell wach. Nicht etwa, wegen einer Vollbremsung des Busfahrers. Unsere Lehrer, Herr Cistecky und Frau Hollburg, und unser Busfahrer Ingo hatten eine Schlager-CD eingelegt und auf volle Lautstärke gestellt. Wolfgang Petry, “Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n”. Das trug nicht gerade dazu bei, die bereits etwas angeschlagenen Schüler in Höchststimmung zu versetzen, doch auch das änderte sich schlagartig, als Herr Cistecky verkündete, dass sich das Chateau wortwörtlich in Sand aufgelöst hätte. Unsere Lehrer hatten uns schön an der Nase herumgeführt und mit einem außerplanmäßigen Ausflug zum Strand, um den mehrere Schüler einige Tage zuvor gebeten hatten, jedoch eine Absage kassiert hatten, überrascht. Also verbrachten wir unseren restlichen Nachmittag am Strand mit Muscheln suchen oder sogar einem Bad im kalten Atlantik.

 

Schüler Schüler Schüler

Am Freitag ging es dann auf nach Bordeaux. Nach einer eigentlich einstündigen, aber dann letztendlich doch zweistündigen Führung mit einer ziemlich lustigen Fremdenführerin, die uns das französische Müllsystem erklärt hat, wurden wir dann in die Freiheit entlassen, ins Paradies für alle Shopaholics: in die Rue Sainte Catherine, die längste Shoppingmeile Europas. Hier wurde natürlich das Geld mit vollen Händen ausgegeben und so war der Nachmittag auch schnell vorbei und es ging wieder Richtung Libourne, wo uns ein Wochenende nur mit unserer Gastfamilie bevorstand. Einige lernten die gesamte Verwandtschaft kennen, andere waren noch einmal in Bordeaux, wieder andere fuhren nochmals an den Strand. So vergingen auch unsere letzten Tage in Frankreich recht schnell und bis wir uns versahen, standen wir am Montag Morgen auch schon wieder mit Sack und Pack am Lycée und verabschiedeten uns von unseren Gastfamilien. Auch wenn wir wussten, dass sie bereits in zwei Tagen bei uns in Deutschland ankommen würden, fiel uns bereits hier schon der Abschied schwer, aber nach einer guten Stunde voller Tränen, brachen wir Richtung Paris auf.

Ja, Paris. Sicher das Highlight unserer gesamten Reise. Nach einer umfangreichen Stadtbesichtigung mit unserem Bus, mussten wir uns am Eiffelturm von unserem tollen Busfahrer Ingo, der uns die ganze Woche begleitet hatte, verabschieden. Er fuhr wieder nach Libourne, um dort unsere liebgewonnenen Franzosen abzuholen und Busfahrer Egon chauffierte uns wieder nach Deutschland. Danach durften wir uns selbst in das Pariser Leben stürzen. In den Seitenstraßen am Eiffelturm wurde das letzte Geld für Postkarten, Paris-T-Shirts und andere Souvenirs ausgegeben. Nachdem wir noch einige alte Bekannte aus den elften Klassen mit Frau Zimmermann und Herrn Dr. Neumann-Riegner getroffen hatten, hieß es wieder “Au revoir, Paris” und während der Eiffelturm glitzerte, fuhren wir nach ein paar letzten Photos von der Touristenattraktion wieder in die Heimat und versuchten endlich zu realisieren, dass wir gerade wirklich in der Stadt der Liebe waren, in Paris.

Auch die Woche, in der die Franzosen bei uns waren, war viel zu kurz. Kaum waren sie da, mussten sie auch schon wieder fahren. Liebespaare musste sich auf ungewisse Zeit verabschieden, Freunde mussten einander Tschüß sagen, ohne wirklich zu wissen, ob sie einander je wiedersehen werden. Wir wollen und werden sie auch sicher nie vergessen, unsere Franzosen. Wir wissen nicht, was die Zeit bringt, ob sich eine Freundschaft auf solche Distanz halten kann. Das alles wird sich erst noch zeigen.

Doch schon jetzt steht fest, dass im Sommer einige Deutsche in Libourne Urlaub machen werden und dass auch einige Franzosen wieder nach Deutschland kommen werden. Einige, um ein Praktikum zu machen, andere für ein Auslandsschuljahr.

An dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an unsere Lehrkräfte Herrn Cistecky und Frau Hollburg. Dafür, dass sie das alles erst möglich gemacht haben, dass sie uns geholfen haben mit schwierigen Situationen klarzukommen, dass sie uns beigestanden sind, als es in den Familien nicht so gut lief und sogar eine Ersatzfamilie für eine Schülerin gesucht und gefunden haben und natürlich danke, dass sie uns mit der Spontanfahrt zum Strand überrascht haben. Eine bessere Begleitung hätten wir uns auf keinen Fall vorstellen können. Danke für die womöglich beste Zeit unseres Lebens! Danke einfach für alles!

Tatjana Leikam und Lena Schindler, 10c

 

Bericht von Schüleraustausch 2009
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